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Vergiftete Kommunikationskultur? So findest du ein Gegenmittel und förderst produktive Zusammenarbeit

January 11, 2024

Wir alle kennen das Gefühl, wenn die Kommunikation im Scrum Team nicht stimmt.

Etwa erkennen wir es im Daily Scrum, wenn wir hören:

  • „Ich habe gestern den ganzen Tag gebraucht, um den Bugfix abzuschließen. Eigentlich wäre ich damit in einer Stunde fertig gewesen, wenn der Code von Susi zur Abwechslung mal vernünftig dokumentiert worden wäre. Aber mich wundert nichts mehr bei ihrer Arbeitseinstellung.“
  • „Keine Updates.“
  • „Meine Schätzung war richtig, aber ich habe nur deshalb länger gebraucht, da ich ständig bei meiner Arbeit unterbrochen wurde.“
  • „Und ich habe gestern das gesamte Backend neu programmiert.“

Das sind nur einige Anzeichen dafür, dass die Kommunikationskultur vergiftet ist.

Noch vor wenigen Jahrzehnten hatte gute Kommunikation eine untergeordnete Rolle. Entscheidungen wurden nicht als Ergebnis eines konstruktiven Dialogs zwischen mehreren Personen getroffen. Stattdessen traf meist eine einzige Person diese Entscheidungen. Im Team entschied der Teamleiter und zu Hause das Familienoberhaupt – doch diese Zeit ist vorbei.

Heutzutage ist es wichtig, Teammitglieder in Entscheidungen miteinzubeziehen und diese gemeinsam zu erarbeiten. Nur wenn jeder im Team die Entscheidung versteht, können Handlungen schnell angepasst werden, wenn sich die Situation unvorhergesehen ändert.

Darum geht es im Kern bei Agilität.

Wenn du für die Einführung und Umsetzung von Agilität in deinem Team Verantwortung übernimmst, dann lies weiter. In diesem Artikel identifizieren wir die Gifte, die die Teamkultur schädigen können und suchen nach Gegenmittel. Die Gegenmittel helfen dir, eine produktive Kommunikationskultur zu etablieren.

Wir finden die Gifte, wenn wir dieser Frage nachgehen:

Warum scheitern einige Ehen und andere nicht?

Über 40 Jahre lang hat Dr. Gottman mit seinem Team empirische Studien an über 3 000 Paaren durchgeführt. In Langzeitstudien untersuchte er, warum manche Paare in glücklichen Partnerschaften leben und andere sich scheiden lassen.

Dabei fand er heraus:

Jedes Paar streitet sich. Die Art und Weise, wie Paare mit Konflikten umgehen, ist entscheidend. Auch die Emotionen, die sie zeigen, spielen eine Rolle. Sie beeinflussen, ob Paare zusammenbleiben oder sich scheiden lassen. Dr. Gottman führte eine Laborstudie durch. In dieser Studie sagte er mit einer Genauigkeit von 94 % voraus, ob eine Ehe Bestand haben würde. Grundlage dafür war die Beobachtung der Paare über einen Zeitraum von nur 15 Minuten.

Seine Vorhersagen basierten dabei auf zwei Erkenntnissen:

1. Paare, die zusammenbleiben, erleben mindestens fünf positive Interaktionen für jede negative Interaktion während eines Konflikts.
2. Paare, die sich trennen, zeigen ein hohes Maß an toxischen Verhaltensweisen. Diese Verhaltensweisen sind auch als „Die vier apokalyptischen Reiter“ bekannt und umfassen:

  • Kritik
  • Mauern
  • Abwehr
  • Verachtung

Diese toxischen Verhaltensweisen lassen sich auch in der Teamarbeit beobachten. In diesem Zusammenhang sind sie als Teamtoxine bekannt.

Das Verständnis der Teamtoxine stellt einen Schlüssel dar, um die Zusammenarbeit und Kommunikationskultur im Team zu verbessern.

Die 4 Teamtoxine im Detail

Kritik

Umfasst Vorwürfe und Schuldzuweisungen.

Betrachten wir noch einmal die Aussage:

„Ich habe gestern den ganzen Tag gebraucht, um den Bugfix abzuschließen. Eigentlich wäre ich damit in einer Stunde fertig gewesen, wenn der Code von Susi zur Abwechslung mal vernünftig dokumentiert worden wäre. Aber mich wundert nichts mehr bei ihrer Arbeitseinstellung.“

Dies ist eine Kritik. Sie richtet sich nicht auf eine bestimmte Handlung, die fehlgeschlagen ist. Vielmehr ist es ein persönlicher Angriff auf Susi. Es geht also nicht um das Verhalten von Susi, sondern um die Person selbst. Nicht Susis Handlungen waren in einer Situation falsch oder schlecht, sondern Susi ist falsch oder schlecht. Kritik geht häufig auch mit einem abschätzigen Tonfall, Gesichtsausdruck oder Körpersprache einher. Kritik löst Verteidigungsverhalten oder Selbstzweifel bei den Kritisierten aus.

Somit hemmt Kritik die Kommunikation im Team.

Mauern

Umfasst den Abbruch der Kommunikation, Schweigen und die Weigerung, sich zu beteiligen.

Im Daily Scrum etwa:

„Keine Updates.“

Diese Aussage kann ein Zeichen dafür sein, dass sich jemand zurückzieht. Mauern ist eine natürliche Reaktion. Sie soll Menschen schützen, wenn es ihnen zu viel wird und sie sich überfordert fühlen.

Allerdings ist mit einer Person, die mauert, im Moment keine Zusammenarbeit mehr möglich.

Abwehr

Umfasst Zurückdrängen, Argumentieren sowie die Weigerung, das eigene Verhalten zuzugeben.

Im Daily Scrum etwa:

„Meine Schätzung war richtig, aber ich habe nur deshalb länger gebraucht, da ich ständig bei meiner Arbeit unterbrochen wurde.“

Jeder verhält sich bisweilen defensiv. Es ist eine Gewohnheit, die tief in unserem Wesen verwurzelt ist und durch unsere Kampf- oder Fluchtreaktion ausgelöst wird. Wenn wir uns angegriffen fühlen, dann wollen wir uns verteidigen. Diese Reaktion ist nur zu menschlich, kann aber schnell zu einem Konflikt führen. In unserem Beispiel könnte sich nun ein anderes Teammitglied angegriffen fühlen, das für die Unterbrechung verantwortlich war. Damit kann Abwehrhaltung schnell zu einer Schuldzuweisung werden.

Ferner wissen wir alle, wie ermüdend und frustrierend es ist, sich lange Erklärungen und Ausreden anzuhören. Begibt sich ein Teammitglied in die Defensive, wird es zum Opfer. Wo es Opfer gibt, gibt es auch Täter.

Eine Opfer-Täter-Beziehung schadet der produktiven Zusammenarbeit.

Verachtung

Beinhaltet Sarkasmus, Herabsetzung, Zynismus, feindseligen Humor und sogar Beschimpfungen.

Im Daily Scrum etwa:

„Und ich habe gestern das gesamte Backend neu programmiert.“

Hierbei könnte es sich um Sarkasmus handeln. Sarkasmus ist ein erster Schritt hin zur Verachtung. Verachtung entsteht aus einer überlegenen Machtposition heraus und weist dem Gegenüber negative Wesenszüge zu. Verachtung ist das schlimmste aller Gifte, denn sie wirkt sich direkt und negativ auf unser Immunsystem aus. Sie schadet unserer psychischen, emotionalen und physischen Gesundheit und untergräbt mit der Zeit unser Selbstwertgefühl.

Wenn Verachtung vorhanden ist, ist es unmöglich, eine Versöhnung und somit eine produktive Zusammenarbeit im Team zu erreichen.

Wie mit den Teamtoxinen umgehen?

Christian Hofstetter, ein erfahrener Leadership-Coach und Autor des Buches „Playbook Navigating Team Toxins“, bringt es auf den Punkt:

„Die Teamtoxine versuchen zu helfen – aber nicht auf sehr geschickte Weise.“

Das soll heißen: Die Teamtoxine sind wichtig für uns, sie möchten uns schützen.

Es kann überwältigend sein, wenn zu viele Informationen auf uns einprasseln. In solchen Momenten fühlen wir uns oft überfordert. Dann kann der Aufbau von Mauern eine Hilfe sein. Mauern ist also eine Form der Selbstfürsorge, wenn es zu viel wird. Wenn wir nicht darauf hören, beginnt unser Herz, immer schneller zu schlagen. Unsere Hände fühlen sich taub an. Unser Hals schnürt sich zu. Schwindelgefühle stellen sich ein. Letztendlich könnten wir zusammenbrechen. Vor dieser Überlastung will uns Mauern bewahren.

Bei allen anderen Giften ist diese Reaktion ganz normal. Allerdings ist sie nicht förderlich. Sie trägt nicht zu einer produktiven Kommunikation bei.

Wie kannst du deinem Team helfen, Gegenmittel zu finden?

Der wichtigste Schritt in der Arbeit mit Teamtoxinen besteht darin, eine gemeinsame Sprache für Konflikte zu entwickeln.

Christian Hofstetter vergleicht es mit Java.

Betrachten wir ein Scrum Team, welches eine Anwendung in Java entwickelt. In diesem Team spricht jeder „Java“. Jeder im Team versteht das Gleiche unter Begriffen wie „Generics“, „Garbage Collector“ oder „JVM“. Leider haben die wenigsten Scrum Teams eine gemeinsame Sprache, wenn sie über Kommunikationsmuster und Konflikte sprechen.

Wie sich Paare streiten, so streiten sich auch Teammitglieder. Nach Dr. Gottman zeigen Paare, die sich trennen, häufiger toxisches Verhalten. Das Gleiche gilt für Scrum Teams. Es ist wichtig, das Scrum Team über die Toxine aufzuklären, um zu verhindern, dass sich das Team entzweit. Wir müssen besprechen, was diese Toxine sind. Zudem ist es notwendig, die negativen Auswirkungen auf das Team zu erörtern.

Nach der Aufklärung über die vier Teamtoxine geht es um den zweiten Schritt. Dieser besteht darin, das Team mit alternativen Verhaltensweisen bekannt zu machen. Diese Alternativen sollten helfen, die Auswirkungen der Toxine zu vermeiden oder zu verringern.

Es geht also darum, Gegenmittel gegen die Gifte zu entwickeln.

Hier einige Beispiele:

  • Hinter jeder Kritik steckt eine Sehnsucht oder ein Wunsch. Anstatt zu kritisieren, ist es weniger toxisch, in Worte zu fassen, was wir eigentlich wollen. Also anstatt „Du machst etwas falsch“ lieber „Ich wünsche mir“ nutzen.
  • Bei Überforderung neigen wir manchmal dazu, Mauern aufzubauen. Es ist wichtig, die inneren Signale frühzeitig zu erkennen. Dies hilft uns, zu handeln, bevor wir vollständig blockiert sind. Was hilft uns, uns zu beruhigen? Hilft es, den Raum zu verlassen? Oder die Kommunikation schriftlich fortzusetzen?
  • Neigen wir zur Abwehrhaltung, dann kann es hilfreich sein, für das Geschehen die Verantwortung zu übernehmen. Da es schwerer ist, als es klingt, sollten wir mit einem kleinen Schritt beginnen. Für welchen Anteil an den Geschehnissen kann ich Verantwortung übernehmen, auch wenn es nur 2 % sind, anstatt mich zu verteidigen?
  • Verachtung ist das schlimmste Gift. Hierfür sollte im Team eine Null-Toleranz-Politik gelten. Wann immer wir jemanden hören, der verächtlich über ein anderes Teammitglied spricht, sollten wir intervenieren und ihn fragen: „Okay. Aber was schätzt du an dieser Person?“

Die Entwicklung von Gegengiften beginnt bei sich selbst. Niemand außer dir selbst kann dir sagen, wie du dich in bestimmten Situationen fühlst.

Du suchst eine Schritt-für-Schritt-Anleitung? Sie soll dir helfen, dein Scrum Team für toxisches Konfliktverhalten zu sensibilisieren? Dann kannst du dir hier die kostenlose Workshop-Anleitung von Christian Hofstetter holen. Ich selbst habe sie schon mehrfach in Sprint Retrospektiven genutzt, um eine gemeinsame Sprache für Konflikte zu entwickeln. Einen Erfahrungsbericht in Englisch findest hier.


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